70% aller KI-Projekte erreichen nie die Produktionsreife. Die Gründe sind vielfältig, aber ein Faktor taucht immer wieder auf: fehlende Architektur-Grundlagen. Unternehmen starten ambitionierte AI-Initiativen, ohne zu klären, wie diese in die bestehende Systemlandschaft passen.
Das Muster des Scheiterns
Die Geschichte wiederholt sich in vielen Unternehmen: Ein Fachbereich identifiziert einen vielversprechenden KI-Use-Case. Data Scientists bauen ein funktionierendes Modell. Der Pilot zeigt überzeugende Ergebnisse. Dann beginnen die Probleme.
- Das Modell braucht Daten aus drei verschiedenen Systemen – die Schnittstellen existieren nicht
- Die Scoring-Ergebnisse müssen in ein Legacy-System zurückfließen – niemand weiß wie
- Die IT-Security hat Bedenken bei der Cloud-Anbindung – es gibt keine klaren Vorgaben
- Das Modell-Retraining erfordert Ressourcen, die nicht eingeplant waren
Was als agiles Pilotprojekt begann, endet als technische Sackgasse. Das Modell funktioniert – aber nur im Jupyter Notebook des Data Scientists.
Enterprise Architecture als Enabler
Enterprise Architecture (EA) wird oft als Governance-Overhead wahrgenommen – als Instanz, die Innovation bremst. Das ist ein Missverständnis. Richtig eingesetzt, ist EA der Enabler für skalierbare KI-Initiativen.
„Enterprise Architecture liefert nicht die Antworten. Sie stellt die richtigen Fragen – bevor es teuer wird."
EA beantwortet die Fragen, die zwischen Pilot und Produktion stehen:
- Wo liegen die Daten, die KI-Anwendungen brauchen? Wie kommen sie zusammen?
- Welche Plattformen und Services existieren bereits? Was muss neu gebaut werden?
- Wie integrieren KI-Services in bestehende Prozesse und Systeme?
- Welche Governance-Anforderungen gelten? Welche Freigaben sind nötig?
Die AI-Ready Architecture
Eine Zielarchitektur für KI-Transformation umfasst mehrere Schichten:
Data Foundation
KI lebt von Daten. Die Architektur muss klären:
- Wo werden Daten für Training und Inferenz bereitgestellt?
- Wie wird Datenqualität sichergestellt?
- Welche Zugriffsmodelle gelten (Self-Service vs. zentrale Bereitstellung)?
- Wie werden sensible Daten geschützt?
Ob Data Lake, Data Mesh oder klassisches DWH – die Architekturentscheidung hängt von Kontext und Reifegrad ab. Entscheidend ist, dass es eine bewusste Entscheidung ist.
AI/ML Platform
Die Plattformschicht stellt Infrastruktur und Services für ML-Workloads bereit:
- Training-Umgebungen (On-Premise, Cloud, Hybrid)
- Feature Store für wiederverwendbare Features
- Model Registry für Versionierung und Governance
- Serving-Infrastruktur (Batch, Near-Real-Time, Real-Time)
Nicht jedes Unternehmen braucht eine vollständige ML-Plattform. Für viele Use Cases reichen Cloud-Services. Die Architektur klärt, welche Komponenten selbst betrieben werden und welche eingekauft werden.
Integration Layer
Die Integration ist oft der kritische Pfad. KI-Services müssen:
- Daten aus Quellsystemen empfangen
- Ergebnisse an Zielsysteme liefern
- Mit bestehenden Prozessen interagieren
- Monitoring und Logging unterstützen
API-Gateways, Event-Streaming und standardisierte Integrationspatterns reduzieren die Komplexität.
Governance & Operations
Ohne klare Governance wird jedes KI-Projekt zum Risiko. Die Architektur definiert:
- Freigabeprozesse für neue Modelle
- Monitoring-Standards (Drift, Performance, Fairness)
- Dokumentationsanforderungen
- Verantwortlichkeiten und Eskalationswege
Der pragmatische Weg
Sie müssen nicht erst eine komplette Zielarchitektur entwickeln, bevor das erste KI-Projekt startet. Ein pragmatischer Ansatz:
- Start with Why: Welche Business-Capabilities sollen durch KI gestärkt werden?
- Map the Landscape: Welche Systeme, Daten und Plattformen existieren bereits?
- Identify Gaps: Was fehlt für die ersten priorisierten Use Cases?
- Define Principles: Welche Architekturprinzipien gelten für KI-Initiativen?
- Build Incrementally: Architektur wächst mit den Use Cases
Starten Sie mit einem konkreten Use Case und dokumentieren Sie die Architekturentscheidungen. Diese werden zum Referenzmodell für folgende Projekte.
Die Rolle des Enterprise Architekten
In der KI-Transformation verändert sich die Rolle des Enterprise Architekten:
- Weniger Gatekeeper, mehr Enabler: Architektur als Service für KI-Teams
- Weniger Blueprint, mehr Guidance: Prinzipien statt detaillierter Vorgaben
- Weniger Theorie, mehr Praxis: Hands-on mit Data Scientists und ML Engineers
Der Enterprise Architekt ist nicht mehr der, der Nein sagt. Er ist der, der den Weg zeigt.
Fazit: Architektur als Investitionsschutz
KI-Projekte ohne Architektur-Fundament sind wie Häuser ohne Fundament: Sie mögen kurzfristig stehen, aber sie skalieren nicht und sie halten nicht.
Die Investition in Enterprise Architecture für KI zahlt sich aus – nicht durch perfekte Pläne, sondern durch weniger Überraschungen, schnellere Time-to-Production und nachhaltig skalierbare Lösungen.